Shiatsu – Update für Körper und Seele

von Ulrike Schmidt

Berlin: ein pulsierender Organismus, durchzogen von großen Verkehrsachsen – Wege, Straßen, Autobahnen, U- und S-Bahn, Eisenbahnen, Trams und Buslinien –, die eine Verbindung innerhalb des Ganzen sicherstellen. Zu bestimmten Zeiten ist auf diesen Strecken viel los, zu anderen weniger. Die Stadt beherbergt unzählige Lebewesen, Menschen, Tieren, Pflanzen. Ein ständiges Kommen und Gehen, Geburten und Abschiede – in jeder Sekunde. Die Bewohner können über Computer, Mobiltelefone und Satellit in Millisekunden miteinander in Kontakt treten. Zur Versorgung von Berlin kommen stetig Waren herein, Müll wird wieder heraus transportiert. So lange sowohl das eine als auch das andere sichergestellt ist, funktioniert das ganze System einwandfrei. Kommt es zu Streiks, zum Beispiel bei der Grundversorgung, der Abfallbeseitigung oder dem Transportwesen, sehen wir uns nach einigen Tagen erheblichen Einschränkungen gegenüber. Das gleiche gilt auch nach einem Unfall auf der Stadtautobahn. Das System gerät ins Stocken, ein freier Fluss ist nicht mehr gewährleistet und umliegende Straßen sind nach kurzer Zeit mitbetroffen. Ist die Ursache beseitigt, findet das System bald zu seiner ursprünglichen Vitalität zurück.


Strukturverwandte Systeme

Der Mensch: ein pulsierender Organismus, durchzogen von großen Bahnen, die  eine Verbindung zwischen den Teilen des Körpers sicherstellen – Adern, Nerven, Muskelfasern, Bindegewebe und Meridiane. Zu bestimmten Zeiten ist besonders viel los auf diesen Strecken, zu anderen weniger. Der Mensch beherbergt unzählige Zellen. Ein ständiges Kommen und Gehen, Zellteilungen und Zelltode – in jeder Sekunde. Die Zellen können in Millisekunden miteinander in Kontakt treten. Zur Versorgung des Körpers wird stetig Sauerstoff und Nahrung aufgenommen, Abfall wird wieder heraus transportiert. So lange sowohl das eine als auch das andere sichergestellt ist, funktioniert das ganze System einwandfrei. Kommt es zu Störungen, zum Beispiel bei der Grundversorgung, der Abfallbeseitigung oder der Verbindung bestimmter Teile, sehen wir uns nach einigen Tagen erheblichen Einschränkungen gegenüber. Das gleiche gilt auch nach einer Verletzung: Das System gerät ins Stocken, ein freier Fluss ist nicht mehr gewährleistet und umliegende Bereiche sind nach kurzer Zeit mitbetroffen. Ist die Ursache beseitigt, findet das System bald zu seiner ursprünglichen Vitalität zurück.
Taucht man einmal ein in die Parallelen zwischen einer Großstadt und dem menschlichen Körper, sind die Verbinden nahezu verblüffend. Halten Sie einfach einmal das farbig dargestellte U- und S-Bahn Strassennetz Berlins neben eine ebenso bunte Meridiankarte des menschlichen Körpers.


Unterstützung bei der Selbstregulation

Der menschliche Körper trägt die Fähigkeit in sich, sich selbst zu regulieren. Shiatsu geht auf eine Jahrtausende alte, aus Asien entstammende Tradition der Körperarbeit zurück. Es wird dabei von der Grundannahme ausgegangen, dass alles Unwohlsein, jede Einschränkung und letztendlich jede Erkrankung von einem blockierten Fuß der Lebensenergie, dem Ki, ausgeht, das in besonderen Bahnen, den Meridianen zirkuliert. Diesem Ki - oder Chi, wie es in China genannt wird, wieder zu einem ungehinderten Fließen im gesamten System zu verhelfen, ist Ziel und Zweck vom Shiatsu. Die Idee dabei ist, dass der menschliche Körper die Fähigkeit in sich trägt, sich wieder selbst zu regulieren – was er in jeder Sekunde versucht, jedoch bei gravierenden und langanhaltenden Störungen nicht mehr bewältigen kann. Doch oft kann der menschliche Körper einen Impuls von außen annehmen und umsetzen – das macht sich Shiatsu zunutze. Shiatsu arbeitet mit dem Daumen und dem Handballen auf dem bekleideten Körper. Der Name ist in diesem Fall Programm: Das Wort Shiatsu lässt sich mit "Finger-Druck" oder "Daumendruck" übersetzen.


Anstoß auf allen Ebenen

Shiatsu darf allerdings nicht als eine Art "Pille" verstanden werden, nach dessen Einnahme die Symptome und Beschwerden verschwinden. Shiatsu versteht vielmehr die von einem Menschen ausgebildeten Ungleichgewichte als Ausdruck eines gehindertes Flusses der Lebensenergie. Gelingt es uns nicht, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, entsteht irgendwo in uns ein Mangel, eine Not oder eine Sehnsucht. Nahrung, Kleidung, Schutz kennen wir als existentielle Grundbedürfnisse, aber ebenso haben wir Bedürfnisse nach Wertschätzung, nach Selbstbestimmung und nach Sinnhaftigkeit, um nur einige zu nennen. Das erklärt, warum nicht nur Nahrungsmangel, Kälte und Nässe zu gravierenden Störungen und Erkrankungen führen können, sonders auch ein ungeliebter Job oder eine nicht erfüllte Lebenssituation. Wir entwickeln Störungsmuster, die ein erfahrener Shiatsupraktiker in der Lage ist zu erspüren. Ist die Psyche nicht zufrieden, finden wir uns langfristig auch in einem – körperlichen – Ungleichgewicht wieder. Der amerikanische Philosoph Ken Wilber schreibt, Unzufriedenheit sei eine körpereigene Intelligenz.


Gezielte körperliche Impulse

Die Meridiane haben im Westen kurze Namen bekommen, sie heißen etwa Magenmeridian oder Dickdarmmeridian. Die Namen verweisen zum einen auf einen direkten Zusammenhang mit dem Organ, darüberhinaus auf dessen Aufgabe: die Magenenergie gibt uns zum Beispiel die Fähigkeit, unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen und Strategien zur deren Erfüllung zu entwickeln. Die Dickdarmenergie versetzt uns auch psychisch in die Lage zu entgiften und Dinge, die wir nicht mehr brauchen, loszulassen. Dickdarm ist der große Ausscheider auf allen Ebenen unseres Seins. Indem wir über Shiatsu Blockaden auf den Meridianen lösen, bringen wir auch ein Thema in Bewegung und damit den Menschen mit sich selbst, seinen Bedürfnissen, seinen aktuellen und chronischen Befindlichkeiten in Kontakt. Durch die tief-wirkende Berührung geschieht ein Kontakt mit stagnierenden Bereichen oder unerfüllten Bedürfnissen, körperlich wie seelisch, so dass wir durch eine Art Update wieder mehr mit unserem eigentlichen Kern in Verbindung treten können. Wir stellen uns auf einmal Fragen wie „Wofür ist diese Erkrankung vielleicht gut?“, „Was macht mich wesentlich aus?“, „Welche gesünderen Strategien kann ich entwickeln zur Erfüllung meiner Bedürfnisse?“ oder "Wie gestalte ich auf stimmige Weise meinen Lebensweg?“ Shiatsu unterstützt uns über gezielte körperliche Impulse, die richtigen Fragen und stimmigen Antworten darauf zu finden.



Ulrike Schmidt ist Shiatsupraktikerin, -Lehrerin und Schulleiterin der Berliner Schule für Zen Shiatsu in Wilmersdorf. 1986 begegnete sie Shiatsu und hat sich 1990 – nach langjähriger Tätigkeit als Betriebsprüferin – für ein Leben mit Shiatsu als zentralen Aspekt entschieden.