Eine Rezension von Joachim Schrievers
für das Shiatsu Journal Nr. 51 Winter 2007/2008
Schon das Lesen des Inhaltsverzeichnisses weist auf eine Fülle von Themen hin, die neugierig machen, Themen, die Shiatsu, das Leben, den Menschen und seine Leiden aus den verschiedensten Perspektiven betrachten. Im Vorwort lesen wir: „Das vorliegende Buch unterscheidet sich von herkömmlichen Shiatsu-Lehrbüchern, weil es nicht die Grundlage der Ausbildung, sondern die konkrete Berufspraxis zum Ausgangspunkt hat." Es beschäftigt sich mit vielerlei Fragen, auf die man als Shiatsu-Behandler oft erst stößt, wenn man begonnen hat, Shiatsu beruflich ausüben. Peter Itin schafft es in seinem Buch, Erkenntnisse und Erfahrungen des Ostens wie des Westens harmonisch miteinander zu verbinden und zeigt, dass sich Ost und West im Erfahrungsraum des Shiatsu zu einem ganz eigenen Geschehen verbinden. Dies wird durch die langjährige Erfahrung und vielseitige Ausbildung des Autors möglich.
Im ersten Teil geht es um den Rahmen, in dem Shiatsu entstanden ist und sich bis zum heutigen Tag entwickelt hat, die gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Entwicklung von Shiatsu in den verschiedenen europäischen Ländern beeinflusst haben und auch weiterhin beeinflussen werden. Dies schließt die auf verschiedenen Ebenen relevante Frage mit ein, was Gesundheit und Krankheit überhaupt sind - für die staatlichen und privaten Kostenerstattungssysteme, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und natürlich für uns als Shiatsu-Behandler. Peter Itin setzt damit Shiatsu in Beziehung zu verschiedenen Vorstellungen von Gesundheit, die unsere eigenen und die Denkmuster unserer Klienten geprägt haben. Er beschreibt aber auch die neueren Entwicklungen in der westlichen Gesundheitsforschung wie z.B. den Ansatz der Salutogenese und ressourcenorientierten Therapie, die für uns als Shiatsu-Behandler große Relevanz haben.
Richtig spannend wird es im zweiten Teil des Buches, der mit „Essenz" überschrieben ist. Hier werden verschiedene Dimensionen der Energiearbeit im Shiatsu beschrieben und in Beziehung gesetzt. Das Spektrum reicht vom klassischen chinesischen Qi-Konzept über die Erkenntnisse der modernen Physik und Energiekonzepten in der Psychologie hin zu der Relevanz und Resonanz und von Energiefeldern. So unterschiedlich diese verschiedenen Ansätze zunächst zu sein scheinen, dem Leser wird spürbar, dass sie alle etwas miteinander zu tun haben. Dadurch, dass der Autor sich nicht zum Vertreter einer Richtung und zum Kritiker anderer Sichtweisen macht, sondern alle Ansätze miteinander schwingen lässt, kann der Leser erahnen, dass es sich hier um ein energetisches Erfahrungsfeld handelt. Es wird lediglich von Menschen aus unterschiedlicher Perspektive unterschiedlich betrachtet und beschrieben. Im Westen entwickelte Ansätze wie Focusing und Traumaarbeit bereichern den therapeutischen Prozess dabei ebenso wie das Erspüren der Meridian-Energien oder klassische östliche Übungssysteme wie Qigong und Taijiquan.
Im dritten und letzten Teil des Buches schließlich geht es um praktische Anwendungsfelder im Shiatsu und den Umgang mit häufig auftretenden Beschwerden. Hier wird deutlich, dass Shiatsu in den meisten Kantonen der Schweiz einen therapeutischen Status hat. (Peter Itin ist Schweizer und arbeitet in der Schweiz.) Der deutsche Shiatsu-Behandler, der kein Arzt oder Heilpraktiker ist, ist hier eingeladen, seine eigene Art der Herangehensweise zu reflektieren.
Das Lesen des Buches hat mich in zweierlei Hinsicht sehr bereichert: zum einen durch viele neue Informationen und zum anderen, weil es mich ständig dazu angeregt hat, mir eigene Gedanken zu machen und meinen eigenen Ansatz zu reflektieren. Letzteres geschah besonders intensiv an den Stellen des Buches, die ich selbst kritisch sehe. Es regt außerdem uns Europäer in hohem Maße dazu an, bei allem Respekt vor der östlichen Tradition des Shiatsu einen Weg zu suchen, in dem auch unsere westliche kulturelle, geistige und wissenschaftliche Identität ihren Platz findet.
Im Buchhandel für 31,40 € (ISBN 978-3-8334-8319-6)
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