"Das Alter ist eine Tür, die nicht jedem offensteht"
Ein Interview mit Frederike Frei von Ulrike Schmidt (2013)



Der ernste Faden, der Dein komisch-heiteres Monolog-Theater durchzieht, ist die Auseinandersetzung mit dem Tod Deiner Mutter. Können wir unseren Müttern erst nach ihrem Tod die Wahrheit ins Gesicht sagen?
Es ist umgekehrt, erst wenn sie gestorben sind, sagen sie uns ihre Wahrheit ins Gesicht. Ihre Wahrheit ist, dass wir vom selben Holz sind und ihnen nachfolgen. Erst, wenn sie gestorben sind, beginnen wir damit.


Ich habe Dich mit dem Stück zum ersten Mal vor über zwanzig Jahren in Hamburg erlebt - hast Du Dir träumen lassen, dass das Todesstück so ein Dauerbrenner wird?
Ja. Ich dachte, ha, das ist ein Thema, das ich auch als Alte spielen kann, wofür ich nicht schön oder jung aussehen muss, denn alte Menschen haben genausoviel Lust, nicht zu sterben wie jeder jüngere.


Hast Du es seither upgedatet?
Gekürzt, gekürzt, gekürzt. Immer noch zu lang.Wahrscheinlich reicht der Satz aus 'ich will nicht sterben'. Der sagt schon alles. Nur den in sämtlichen Variationen auf die Bühne zu bringen, wär mein Traum.


Vor einem Jahr hast Du das Stück auf der Berliner Hospizwoche  vor 170 HospizmitarbeiterInnen gehalten - gab es genauso viel Lacher im Publikum?
Ich denke, es gab mehr als damals. Damals hatte ich ja selber noch zuviel Schiss vorm Tod. Schon vor dem Wort 'Tod'. Das Wort machte, dass ich automatisch ernst wurde. Es wirkt wie ein Delta, hat ein riesiges Einzugsgebiet und färbt das Umland.



Du hast eine professionelle Schaupielausbildung - ich finde Deine Mischung von Schauspiel und Literatur sehr gelungen. Du sagtest übrigens einmal, Dein Leben sei Dein Urlaub. Spiel scheint überhaupt eine große Bedeutung in Deinem Dasein zu haben…
Ja, genau, ich hab was Infantiles. Als ich 60 wurde, und mein Mann, der drei Jahre jünger ist als ich, meinte, er würd sich schämen, 60 zu werden, machte ich mir ernsthaft Sorgen um diese 60. Da merkte ich, ich werd nicht 60, sondern 50 plus 10. d.h. die 2. Lebenshälfte beginnt mit 50 und in der bin ich erst 10. Und das bewusst. Herrlich. Schon wünschte ich mir Spielsachen, Luftballons, Knatterer von meinen Gästen. Denn man hat im Alter ja schon alles, nur kein Spielzeug mehr. Mit 71 werd ich dann wohl mündig...
Das Alter ist allerdings eine Tür, die nicht jedem offensteht.
 

Mir fallen spontan Zitate von Dir ein, die mich immer noch begleiten: "Ich kann meine Träume nicht entlassen, ich schulde Ihnen noch mein Leben" und "Am Abgrund kommt es allein auf die Haltung an". Warum ein Buch, wo Du in einem Satz die Dinge so explizit auf den Punkt bringen kannst?
Man möcht ja auch erzählen von den Beziehungen zwischen den Dingen.


Das Buch "Unsterblich" ist ausgezeichnet worden für sein ungewöhnliches Design - wie bist Du auf die Idee gekommen, den Text praktisch als Linie horizontal durch alle Seiten zu setzen? Man muss also für "Unsterblich" fast unendlich oft umblättern…
Ich schlug dem Designer vor, diesen Unendlichtext schon auf dem Umschlag beginnen zu lassen. Er dachte das weiter und ließ die Zeile nicht mehr aus den Augen - durch das Buch hindurch. Dann erst kam die nächste dran.


Wir haben zum ersten Mal eine szenische Lesung an unserer Schule - ohne Bühne und Scheinwerfer - wie nah wirst Du an uns, an das Publikum heranrücken?
Ich sitz einen Meter von der Kante entfernt an einem Schreibtisch auf einem Stuhl. Daneben steht ein Stehpult, an das ich herantrete von Zeit zu Zeit. In der Nähe steht noch ein Jägerstühlchen für den Tod, falls er kommt.


Es gibt mehr Tote als Lebende auf dieser Erde - tut es gut, sich ab und an mal daran zu erinnern? Die meisten Menschen leben doch mit dem Bewusstsein der Unendlichkeit.
Ich glaube nicht, dass man sich seinen Tod ernsthaft vorstellen kann. Ich glaube auch, dass es nichts nutzt, an den Tod zu denken. Was soll einem dazu einfallen? Wie werd ich fertig mit dem Tod? Indem ich mit ihm anfange. Wie fange ich mit ihm an? Indem ich ihn hervorhole. Meinen Tod. Gehört er mir? Gehört er nicht eher anderen? Denen, die ihn wahrnehmen, einordnen, abhaken, erinnern? Mein Tod ist doch der Zustand, in dem ich gerade nicht mehr gefragt, sondern nur noch beantwortet bin. Zu Beginn meines Lebens gab es nur mich. Als ich größer wurde, gab es auch andere. Und zum Zeitpunkt meines Todes gibt es nur noch die anderen und gar nicht mehr mich. So wird der Tod fertig mit mir. Nichts Ersprießliches. Höchstens, dass man sich beeilt mit seinen Werken. Das reicht für fünf Minuten. Danach hat man es schon wieder vergessen. Tod ist ja nur das Lebensende, nicht das Leben. Ich kann das wohl so sagen, weil ich mich ihm durch die Beschäftigung angenähert habe. Nun ist er mir bekannt, nun kann er mir auch wieder gestohlen bleiben. Jedenfalls wir Frauen sollen ja so ein Ewigkeitsgen in uns tragen, hab ich irgendwo mal gelesen. Ich finde, das passt. Heute ist nie zu Ende, sagte mir ausgerechnet heute eine Frau bei einer Ausstellung.



… und, für den allerungewöhnlichsten Fall, Freund Hein küsst DIch nun doch - wie und wo hättest Du es am liebsten? Auf einer Wiese …?
Ich glaube nicht, dass es mir auffällt, wenn ich sterbe. Da kann ich mir eine Wiese herbeiwünschen, wie ich will. Ich käm nicht drauf, dass ich jetzt sterbe.


Und eine letzte Neugier: Du bist jetzt 68 - bist Du etwas näher dran an der Unsterblichkeit?
Nein, die UnSterblichkeit ist immer voll da wie die Gegenwart. Sie ist zeitlos. Auch die Gegenwart ist zeitlos.  Es ist eine virtuelle Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft. Es gibt sie überhaupt nicht. Oder eben ewig.
 


Liebe Frederike, vielen Dank für das Interview!
Herzlichen Dank für die anregenden Fragen.

 

-> Frederike Frei (homepage)

-> ein 5-Minuten-Eindruck von dem Stück

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